transcript Verlag, Reihe: Media in Action; 362 Seiten mit 14 Abb., 45 €; ISBN: 978-3-8394-5701-6
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Tomy Brautschek rezensiert David Waldeckers 2022 erschienene Dissertation „Mit Adorno im Tonstudio“
Die heutige Musikkultur besitzt eine spezifisch durch die Allgegenwart von Medientechnik geprägte ästhetische Form. Denkt man dabei nur an die ubiquitären Rezeptionsmöglichkeiten über Streamingdienste, Rundfunk oder Videoportale wird schnell klar, dass mittlerweile die Musikwahrnehmung jenseits technisierter Hörweisen im Vergleich wohl eher Ausnahmen bilden. Vor allem für den Bereich der Popkultur ist die Technologisierung von Musik, was in Kittlerianischer Lesart bereits der Terminus „Sound“[1] impliziert, nahezu konstitutiv. Von dieser medialen Entwicklung sind natürlich nicht nur die Rezeptionsbedingungen, sondern ist auch das Musizieren und Komponieren selbst okkupiert worden. Entscheidende klangästhetische Veränderungen wurden pophistorisch meist durch mediale Zäsuren bewirkt. Davon zeugen auch die zahlreichen Ursprungsmythen mit ihren ‚Göttern‘ der Tonproduktion: So etwa Phil Spector oder die Beatles, die die ‚reine‘ Aufzeichnungsfunktion des Tonbandes überwinden, indem sie durch Schichtverfahren und Schnitttechniken klanggestalterisch ihre Musik manipulieren.[2] Oder Kraftwerk, für die der Synthesizer „eine Art Nullpunktästhetik“[3] ihrer Kompositionen markiert. Den gegenwärtigen Pop-Sound hingegen beherrschen artifizielle Gesangstimmen, die von Software-Effekten automatisierter Tonhöhenkorrekturen erzeugt werden. Für Cher über T-Pain, Kanye West und Future bis etwa hin zu Bon Iver ist der Auto-Tune-Algorithmus ein wichtiges sound-ästhetisches Stilmittel.[4] Entscheidend ist jedoch nun, dass man den Umgang mit all diesen unterschiedlichen Audiotechnologien zum einen nicht nur als mediale Praktiken, sondern als ganz „spezifische Formen des Musizierens“[5] verstehen kann. Zum anderen sind diese spezifischen Formen des Musizierens auch an räumliche Parameter gebunden, die wiederum in Reaktion auf die medientechnischen Veränderungen stetig restrukturiert werden: dem Tonstudio.
Die Musikaufnahme als Handlungsproblem
David Waldecker schließt in seiner unter dem Titel „Mit Adorno im Tonstudio. Zur Soziologie der Musikproduktion“ über Transcript im Juni 2022 erschienen Studie an genau dieser diskursiven Schnittstelle an. Er steht damit in einer Forschungstradition mit Arbeiten von u.a. Paul Théberge,[6] Emily Thompson,[7] Susan Schmidt Horning[8] oder etwa Simon Zagorski-Thomas,[9] bei denen Fragen nach musikalischen Praktiken unter Berücksichtigung ihrer architektonischen und technologischen Konditionen (mal mehr und mal weniger akzentuiert) mitverhandelt werden. In der Einleitung attestiert Waldecker diesen und anderen kanonischen Werken der „recording culture“[10] daher nicht zu unrecht ein perspektivisches Ungleichgewicht zulasten der Musiker*innen und zugunsten der genuinen Studiosubjekte, wie den Toningenieur*innen und Musikproduzent*innen. Für den Vorschlag eines musiksoziologisch jedoch eher paritätischen Ansatzes wird hierfür der Begriff der Praxis als zentral gesetzt, um Musik eben nicht als fertiges Kulturfabrikat, sondern als etwas zu verstehen, was sich durch mehrere Akteur*innen erst noch im Entstehungsprozess befindet:
„Das Musikaufnehmen wird in dieser Arbeit als Handlungsproblem begriffen, das die Musizierenden, die Ingenieure und Produzentinnen gemeinsam und arbeitsteilig – in Bezug auf und in Transformation der räumlichen und technischen Gegebenheiten sowie des musikalischen Materials – bearbeiten müssen“.[11]
Wieso Adorno?
Versteht man nun den Forschungskontext und den hier skizzierten medienkulturellen Rahmen, in dem sich die Arbeit inhaltlich bewegt, mag der Name Adornos im Titel des Buches wahrscheinlich eher irritierend wirken. Stellen doch die Kritische Theorie und deren Positionen zur Kulturindustrie mittlerweile höchstens nur noch einen ersten Ausgangspunkt für die Analysen populärer Soundkultur dar, will David Waldecker sie für seine Studie primär als ästhetischen und sozialtheoretischen Bezugspunkt bemühen. Die theoretischen Grundsteine werden dafür im ersten Hauptteil der Arbeit gelegt. Demnach soll nicht die mittlerweile unzeitgemäße Lesart rehabilitiert werden, nach der man Musikproduktionen vor dem Hintergrund unterkomplexer Unterhaltungsstrategien interpretiert und sie einer ästhetisch minderwertigen oder ideologisch manipulativen Kulturindustrie zuschreibt. Anschlussfähig wird Adorno für die Musiksoziologie vielmehr über seinen eher allgemeinen Technikbegriff (Kapitel 3), der sowohl die Apparate und Mediendispositive als auch die medialen Praktiken und Produktionsweisen umfasst. Hier will Waldecker eine Brücke zwischen Gesellschafts- und Ästhetischer Theorie schlagen, so dass die „Interaktionen im Tonstudio als Teil eines Wahrnehmungs-, Deutungs- und Herstellungsmusters von Kultur und damit auch von Musik gedeutet werden, an dem die Produzierenden als Mitglieder der Gesellschaft in gleicher Weise Anteil haben wie die Hörenden, da sie ebenso als Hörende sozialisiert wurden“.[12] So soll Adorno nicht nur als Kritiker, sondern auch als Soziologe ernst genommen werden und seine Theorien in Bezug auf Raum, Technik und musikalischer Praxis auf die vom Autor durch ethnographische Feldforschungen erhobenen Daten gestellt werden.
Die empirische Methode
Die Auswahl der Fallbeispiele und von Waldecker ethnographisch erfassten Produktionsprozesse erscheinen dabei nur stringent. Im zweiten, dem methodologischen Teil der Arbeit wird dargelegt, dass der Autor über einen längeren Zeitraum ein professionelles Jazz-Ensemble sowie eine Hardcore-Punk-Band aus dem Amateurbereich bei Proben und der Studioproduktion begleitet hat (Kapitel 5). Beide Gruppierungen stellen aufgrund genrespezifischer Konventionen oder dem Status des jeweiligen Professionalisierungsgrads ganz unterschiedliche Ansprüche an die eigene Musikproduktion. Vergleichbar bilden sie gewissermaßen eine größtmögliche Differenz bei gleichzeitigem Minimalkonsens. Will heißen, ihre musikalische Praxis stützt sich zwar auf eher traditionelle Musikinstrumente, folgt aber klangästhetisch und ideell ganz anderen Logiken. Dass es sich in beiden Fällen um Kollektive handelt und nicht etwa auch um Solo-Künstler*innen, lässt sich als ein ethnographischer Pragmatismus verstehen: Musikgruppen sind innerhalb der Produktion mehr zur Kommunikation gezwungen und verbalisieren Probleme oder Entscheidungen untereinander, woran der Beobachtende leichter partizipieren kann ohne aufgrund ständiger Verständnisfragen von außen auf den Prozess einzuwirken. Hierauf folgt also der empirische Teil und damit folgen auch die mit viel Sorgfalt sowie mit hoher Beobachtungsgabe angefertigten Darstellungen der Proben (Kapitel 6), Aufnahmen (Kapitel 7) und Nachbearbeitungen der Soundmaterialien (Kapitel 8).[13] Hierbei lassen sich Problemstellungen und Lösungsansätze der einzelnen Abläufe detailliert nachvollziehen. Diese Daten bilden das empirische Fundament der Arbeit, so dass deren Auswertungen und Analysen (Kapitel 9) es schließlich erlauben sollen, „die spezifischen Gebrauchs- und Herstellungsweisen von Raum und Technik zu dem zu setzen, was entsprechend vor Ort als Musik bezeichnet wird“.[14]
Raum und Technik
Daraus schließt der Verfasser in seinem Résumé zunächst auf eine spezifische Form räumlicher und zeitlicher Trennung des Musizierens, bei dem einerseits die Musiker*innen perfektionistisch nach Performances mit geringer Fehlerquote streben und die technischen Verantwortlichen andererseits den Übersetzungsprozess bis hin zur fertigen Aufnahme klanglich gestalten. Beide streben in diesem Fertigungsprozess ein sound-ästhetisches Ideal an, das Musik als etwas Reines, vom (raumakustischen) Entstehungskontext losgelöstes entwirft. Die Arbeiten mit den Relationen von Raum und Mikrophon nehmen dabei einen besonderen Stellenwert ein. So wird in den von Waldecker untersuchten Fällen versucht, Schallreflexionen über die Bauakustik zu absorbieren und auf einen Grad zu minimieren, der höchstmögliche Flexibilität für die Nachbearbeitung des mittels Mikrophon übertragenen Audiomaterials garantiert. Nach Paul Théberge und in Anlehnung an Marc Augé wird das Studio dabei folgerichtig als ein Nicht-Ort verstanden,[15] da die Raumcharakteristik hierbei akustisch neutralisiert wird.[16] Die dabei zu beobachtenden Musizier- und Hörsituationen, in den voneinander akustisch isolierten Studioräumen, entsprechen quasi denen im Proberaum und denen des Publikums. Die Raumordnung im Aufnahmeraum, so der Autor, bedingt in ähnlicher Weise kommunikative Prozesse wie bei den Bandproben und der Hörmodus im Kontrollraum repräsentiert situativ jenem des privaten Hörraums. Denn in der Regie wird die Musik quasi das erste Mal ohne die unmittelbare Anwesenheit ihrer Erzeuger*innen über Lautsprecher wahrnehmbar. So versteht Waldecker das Studio als einen „Kipppunkt zwischen zwei verschiedenen Arten des Umgangs mit Musik – ihrer Erzeugung und ihrem Hören -, der diese beiden Praktiken in der räumlichen Trennung technisch miteinander verbindet“.[17]
Das technische Potential innerhalb der musikalischen Praxis diskutiert Waldecker anschließend mit Bezug auf Adorno, für dessen Ästhetische Theorie auch Perfektionismus und Klangkontrolle wesentliche Aspekte darstellen. In einem traditionell musikalischen Sinne gelten Medienapparate in diesem Zusammenhang zwar als „exterritoriale“[18] Technologien, deren Verwendung jedoch die klanglichen Gestaltungsoptionen erhöht, weshalb der Autor sie als eine teleologische Notwendigkeit eines klanglichen Perfektionismus interpretiert.[19] Die Klangperfektion liegt dabei zunehmend in den Händen technisch-affiner Produzent*innen, die, in den von Waldecker untersuchten Situationen, etwa den Instrumentalklang einer Bassdrum weniger im Kontext des musikalischen Sinns nach Adorno bewerten, als vielmehr nach einem Idealklang streben, den sie aus dem technischen Übersetzungsverfahren ableiten. Solche Soundideale werden vom Autor in die Differenz von Detail und Ganzes der Kritischen Theorie überführt, wo sie sich in der Totalität der Kulturindustrie vollständig aufhebt. Die Kulturindustrie ist demnach nur durch Effekte eines Schematismus gekennzeichnet, „deren Formen mit tendenziell beliebigen Inhalten gefüllt werden können“[20]. In ästhetischen Entscheidungen des Mixingverfahrens sowie im Umgang mit der Audiotechnologie sieht Waldecker die Schemata der Kulturindustrie am Werk, die sich als stilistische Selbstverständlichkeiten nach Adorno und Horkheimer als unvermittelt „natürlicher Stil“[21] offenbaren. Als Beispiele werden hier die voreingestellten Parameter der Aufzeichnungs- und Bearbeitungsprogramme (Presets) angeführt, die vor allem im Amateurbereich als Technologien konsumiert werden, wodurch sich ihre Nutzer*innen zugleich den industriellen Produkten quasi sound-ästhetisch unterwerfen.[22] Auch zeigt sich dies an der klanglichen Anpassung der produzierten Musik an das für ‚Unterhaltungshörer’ typische (für Adorno minderwertige) Hörverhalten. So wird die studiotechnische Klangkontrolle eben immer auch im Abgleich mit handelsüblichen Wiedergabemedien (z.B. dem Smartphone) durchgeführt.
Klangperfektion zwischen Kreativität und Kulturindustrie
Der Klang-Perfektionismus in der Produktion wird aber auf ein weiteres kritisches Element der Kulturindustrie zurückgeführt. Unter dem Begriff „conspicuous production“[23], der in Anlehnung an Veblens „demonstrativen Konsums“[24] (conspicuous consumption) auf Vermarktungsstrategien verweist, versteht Waldecker die Bewertung der Musik auf ihre Fetische reduziert, wie etwa auf die verwendeten teuren Produktionsmittel oder durch die ‚Heiligung‘ der Studioräume, die Fans als popkulturelle Pilgerstätten dienen.[25] Folgt man diesem Prinzip, überführen etwa eine hohe Klangqualität oder Soundpräzision sowie die musikalischen Fehlerkorrekturen bei professionellen Tonaufnahmen die musikalische Ästhetik wieder nur in einen gefälligen kulturindustriellen Effekt. Dies führt der Autor vor allem auf den Gestaltungswillen der Toningenieure zurück, der im Folgenden über den von Andreas Reckwitz der postmodernen Kultur zugrunde gelegten Kreativitätsimperativ erklärt wird.[26] Hierbei messen sich die kreativen Prozesse jedoch weniger an der Erschaffung des ästhetisch Neuen, als es vielmehr darum geht (quasi im postmodernen Geiste) bestehende Inhalte und Formen neu zu arrangieren. Der Studioingenieuer ist nach Waldecker somit eher mit der Figur des Bricoleurs, also des Bastlers, als mit dem Ingenieur nach Lévi-Strauss vergleichbar: „Er schafft etwas Neues, ohne dabei über das bestehende hinauszugehen“.[27] Die sonische Bricolage wird damit letztlich wieder zu einer Repräsentation der Kulturindustrie.[28]
Das Tonstudio als Labor
Ohne Rekurs auf die Kritische Theorie kommt daraufhin der raumästhetische Vergleich des Tonstudios mit dem eines Laboratoriums aus (Kapitel 9.2.3).[29] Hier befindet sich der Autor nun einmal nicht mit Adorno, sondern mit Latour (et al.) im Studio. Dass Waldecker das Raumkonzept des naturwissenschaftlichen Labors anhand der sozialkonstruktivistischen Studien von Bruno Latour, Steve Woolgar und Karin Knorr-Cetina auf das Tonstudio überträgt, ist dabei nur konsequent. Raumstruktur, Versuchsanordnungen und Zeichenprozesse gleichen hierbei im Wesentlichen denen bei der Musikproduktion im Tonstudio. Zu diskutieren wäre hier vielleicht Waldeckers Argumentation, dass im Vergleich zur Fabrik, sowohl im Tonstudio als auch im Labor mehr Kopf-, als Handarbeit betrieben wird.[30] Die Einbeziehung der Disziplinaranstalt ‚Fabrik‘ als Vergleichsobjekt lässt sich an dieser Stelle wesentlich auf die Arbeiten von Knorr-Cetina („Fabrikation der Erkenntnis“[31]) zurückführen. Jedoch muss hier ergänzt werden, dass die Soziologin selbst deutlich auf die Handfertigkeiten und körperlichen Aspekte der Laborarbeit hinweist:
Die Übungen, denen sich Nachwuchswissenschaftler im Labor (und in den vorangehenden Lehrlaboratorien ihrer Universitätsausbildung) unterziehen müssen, sind immer auch körperliche Schulungen, Disziplinierungen im Sinne disziplin-spezifischer Einschleifungen von Körperhaltungen, Sichtweisen, Hantierweisen, speziellen Geschicklichkeiten ebenso wie spezifischen Ertragungsfähigkeiten.[32]
Interessant wiederum ist die Rückbindung der Raumästhetik des Labors an das von Waldecker ethnographisch erschlossene Basismaterial: „Wir sind hier schließlich nicht im Labor und machen keine Wissenschaft“[33], äußert sich der Toningenieur der vom Autor beobachteten Jazzproduktion. Waldecker merkt folgerichtig an, dass das hier vom Toningenieur entworfene Selbstbild, in Bezug auf die strukturellen Parallelen zwischen Studio- und Laborraum, nicht ganz so eindeutig ist.[34] Zugleich kann man hier aber auch an ein zentrales Argument von Eliot Bates anknüpfen. Nämlich, dass das Tonstudio im digitalen Zeitalter die Logik des Labors überwunden hat, da man über die „Undo-Funktion“ jeden beliebigen oder fehlerhaften Schritt rückgängig machen kann.[35] Naturwissenschaftliche Versuche im Labor sind hingegen ein Trial-and-Error-Verfahren und demnach ereignishaft. Auch in den Fallbeispielen von Waldecker wird auf Basis digitaler Speichermedien produziert, weshalb die Laborsituation in Bezug zu Eliot Bates sicherlich weiterführend zu diskutieren wäre.
Refigurationen des Tonstudios
In der Schlusskurve seiner Arbeit untersucht David Waldecker Refigurationen des Tonstudios und sieht die alten oder tontechnisch eher traditionellen Raumordnungen zunehmend in Auflösung begriffen.[36] Demnach trägt maßgeblich die Digitalisierung zu einer erhöhten Variabilität von Räumlichkeit bei, wie am Beispiel des home studios deutlich wird. Aber auch auf sound-ästhetischer Ebene kann der Autor anhand der akustischen Nachbildung von Räumen über Hall- oder Echoprozessoren refigurative Elemente identifizieren und an einen Punkt anschließen, den bereits Kiron Patka in Anlehnung an die Foucault´sche Raumtheorie als „akustische Heterotopie“[37] beschrieben hat.
Fazit
David Waldecker legt mit seiner Arbeit eine umfassende Studie zur Musikproduktion und zum Tonstudio als sozialer Raum vor. Dabei besteht der Mehrwert der Arbeit zum einen in den theoretischen Verortungen innerhalb der Kritischen- und Ästhetischen Theorie Adornos, zum anderen aber vor allem darin, dass anhand des Fallbeispiels der Hardcore-Band die Musikproduktion als Teil einer (semi-professionellen) Freizeitkultur untersucht wird. Das Experimentieren mit Ton- und Audiotechnik gehört heute ebenfalls wie früher das Klavierspielen zum Hobby vieler musikalisch interessierter Menschen.[38] Will man daher einen realistischen, musiksoziologischen Einblick in die Tonstudiokultur erhalten, sind es doch gerade solche ethnographischen Feldforschungen, die eben nicht die Studioproduktionen von den (wenigen) großen Gewinner*innen oder „Helden und Halunken“[39] der Musikindustrie, sondern jenseits von Starkult und Popmythen analysiert. Dadurch eröffnet sich eine raumsoziologische, wie auch -ästhetische Mikroperspektive, in der sich dem Leser die musikalische Praxis im Studio als eine spezifische, der Logik des Raums entsprechende Form offenbart. Dass der Autor seine Analysen dabei durch eine hohe theoretische Dichte flankiert, macht das Buch einmal mehr zu einer empfehlenswerten Lektüre sowohl für einen ersten Einstieg in den Diskursraum des Tonstudios als auch für einen vertiefenden Einblick in die sozio-ästhetischen Zusammenhänge der Tonstudioarbeit.
Literatur
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[1] „[…] weil Sound das Unaufschreibbare an der Musik und unmittelbar ihre Technik ist.“ Kittler, Friedrich: Der Gott der Ohren, in: ders. (Hrsg.): Das Nahen der Götter vorbereiten, München 2012, S. 48-61, hier S. 50.
[2] Vgl. Smudits, Alfred: A Journey into Sound. Zur Geschichte der Musikproduktion, der Produzenten und der Sounds, in: PHLEPS, Thomas/ VON APPEN, Ralf (Hrsg.): Pop Sounds. Klangtexturen in der Pop- und Rockmusik. Basics – Stories – Tracks, Bielefeld 2003, S. 65 – 94.
[3] Matejovski, Dirk: Arbeit am Mythos Kraftwerk: Zur Produktionsästhetik eines intermedialen Konzepts, in: ders. [Hrsg.]: Kraftwerk -Die Mythenmaschine. Konzeption und Ästhetik eines popmusikalischen Gesamtkunstwerks, Düsseldorf 2016, S. 11-33, hier S. 17.
[4] Reynolds, Simon: How Auto-Tune Revolutionized the Sound of Popular Music. An in-depth history of the most important pop innovation of the last 20 years, from Cher’s “Believe” to Kanye West to Migos, in: https://pitchfork.com/features/article/how-auto-tune-revolutionized-the-sound-of-popular-music/ [letzter Zugriff am 14. November 2022].
[5] Waldecker, Mit Adorno im Tonstudio, S. 13.
[6] Théberge, Paul: Any Sound You Can Imagine: Making Music/ Consuming Technology, Wesleyan 1997.
[7] Thompson, Emily: The Soundscape of Modernity: Architectural Acoustics and the Culture of Listening in America 1900–1933, Cambridge 2002.
[8] Schmidt-Horning, Susan: Chasing Sound. Technology, Culture and the Art of Studio recording form Edison to the LP, Baltimore 2013.
[9] Zagorski-Thomas, Simon: The Musicology of Record Production, Cambridge 2014.
[10] Kramarz, Volkmar: Die Entwicklung der Recording Culture am Beispiel der Beatles in den Abbey Road Studios, in: VOLMAR, Axel/SCHRÖTER, Jens (Hrsg.): Auditive Medienkulturen. Techniken des Hörens und Praktiken der Klanggestaltung, Bielefeld 2013, S. 269-289.
[11] Waldecker, Mit Adorno im Tonstudio, S. 14.
[12] Ebd., S. 19.
[13] Vgl. ebd., S. 167-278.
[14] Ebd., S. 157.
[15] Vgl. AUGÉ, Marc: Orte und Nicht-Orte. Vorüberlegungen zu einer Ethnologie der Einsamkeit, Frankfurt am Main 1994, S. 92.
[16] Vgl. THÉBERGE, Paul: The Network Studio: Historical and Technological Paths to a New Ideal in Music Making, in: Social Studies of Science, 34/5, London 2004, S. 759-781, hier 762 f.
[17] Ebd., S. 285.
[18] Ebd., S. 288.
[19] Vgl. ebd., S. 289.
[20] Ebd., S. 291.
[21] Ebd., S. 292.
[22] Vgl. ebd., S. 295.
[23] Ebd., S. 298.
[24] Veblen, Thorstein: Theorie der feinen Leute. Eine ökonomische Untersuchung der Institutionen, Frankfurt am Main 2007, 69 ff. Zit. nach: Waldecker, Mit Adorno im Tonstudio, S. 297.
[25] Vgl. ebd., S. 302.
[26] Vgl. ebd., S. 301.
[27] Ebd., S. 308.
[28] Vgl. ebd., S. 309.
[29] Vgl. ebd., S. 310-318.
[30] Vgl. ebd., S. 311.
[31] Vgl. Knorr Cetina, Karin: Die Fabrikation von Erkenntnis. Zur Anthropologie der Wissenschaft, 4. Auflage, Frankfurt am Main 2016.
[32] Knorr Cetina, Karin: Das naturwissenschaftliche Labor als Ort der „Verdichtung“ von Gesellschaft, in: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 17, Heft 2, April, Stuttgart 1988, S. 85-101, hier S. 97.
[33] Waldecker, Mit Adorno im Tonstudio, S. 314.
[34] Vgl. ebd., S. 315.
[35] Vgl. Bates, Eliot: What Studios Do, in: BURGESS, James Richard/ ISAKOFF, Katia (Hrsg.): Journal on the Art of Record Production, November 2012, Issue 07, o.S. https://www.arpjournal.com/asarpwp/what-studios-do/ [letzter Zugriff am 14.11.2022].
[36] Vgl. Waldecker, Mit Adorno im Tonstudio, S. 318-323.
[37] Patka, Kiron: Radio-Topologie. Zur Raumästhetik des Hörfunks, Bielfeld 2018, S. 77.
[38] Vgl. Waldecker, Mit Adorno im Tonstudio, S. 324.
[39] Wicke, Peter: Pop(Musik)Geschichte(n). Geschichte als Pop – Pop als Geschichte, in: Bielefeldt, Christian/ Dahmen Udo/ Großmann, Rolf (Hrsg.): PopMusicology. Perspektiven der Popmusikwissenschaft, Bielefeld 2008, S. 61–74, hier S. 61.
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