Digitale Vortragsreihe des Lehrstuhls für Europäische Ethnologie der Universität Würzburg und der Hochschule für Musik Nürnberg
Unsere Welt verändert sich dramatisch: Klimawandel, Artensterben, Kriege, neue Völkerwanderungen – die Erde scheint sich derzeit in einem ständigen Katastrophenzustand zu befinden. Ein Deutungsangebot der Kulturwissenschaften ist, diese Zeit als Anthropozän, als von Menschen geprägtes Zeitalter, zu begreifen. Die durch menschliche Lebensweisen bedingten drastischen Umweltveränderungen beeinflussen unter anderem auch die Klangwelten der Erde. Kaum eine Region bleibt von den Geräuschen menschengemachter Maschinen unberührt, Tag für Tag gehen vertraute Klänge verloren, ungewohnte neue Klänge kommen hinzu. Wie klingt das Anthropozän?
Lassen sich die drastischen Umweltveränderungen hören? Welche Klänge sind neu, welche vertrauten Klänge vermissen wir? Wie und was hören wir Menschen überhaupt bewusst? Hören wir hin, oder überhören wir unsere Umwelt? Was nehmen wir von den Klängen, dem Singen, Summen, Brummen, Vibrieren des uns umfassenden Lebens wahr? Wie lassen sich Umweltsounds, der Klang der Vielen, organisierter Sound (Musiken) und künstlerische Aspekte der Klangwelten wissenschaftlich fassen und verstehen? Welches Verständnis von Welt und ihren Veränderungen ermöglicht der Zugang über Sounds? Welche Paradigmen und theoretischen Konzepte sind zu erneuern, um den Sound des Anthropozäns zum Anliegen der Musik- und Kulturwissenschaften sowie der Musikpraxis zu machen? Wie arbeiten Künstler:innen mit diesen Umweltveränderungen? Welchen Eingang findet das Anthropozän in Musiken? Diese und andere Fragen stehen im Fokus des Forschungskolloquiums im Wintersemester 2022/23.
Gemeinsam mit Vortragenden aus der Ethnomusikologie, der Musikwissenschaft, den Human-Animal und Sound Studies, der Landscape Architecture, Klanganthropologie, Sound Art, Ecomusicology und Biologie möchten wir die Klänge unserer Zeit besser verstehen. Wir hören den Klang verschwindender Gletscher, lauschen den schwindenden Gesängen der Vögel Europas und Nordamerikas und diskutieren, inwiefern wir als Zuhörende neues Handeln aus dem Noch- oder Nichtmehrhören generieren. Dabei kombinieren wir Zugänge der Multispezies Studien mit solchen aus Musikforschung und -praxis. Um niedrigschwellig eine breite Teilnahme zu ermöglichen, findet das Kolloquium digital statt.
Die kostenlose Teilnahme ist für alle Interessierten ohne Anmeldung möglich. Eine Fortsetzung der Veranstaltung für das Sommersemester 2023 ist geplant.
Informationen zu den Terminen und den einzelnen Vorträgen finden Sie unter: https:/
Zoom-Link zu den Veranstaltungen: https://uni-wuerzburg.zoom.us/j/62889576532.
Programm
08. November 2022, 18:15 Uhr
Lisa Herrmann-Fertig (Nürnberg)
Multispecies Ethnomusicology. Zur Relevanz sorgsamen Zuhörens in Vielfachkrisen
22. November 2022, 18:15 Uhr
Ludwig Berger (Zürich/Mailand)
Melting Landscapes. Listening to a Disappearing Glacier
13. Dezember 2022, 18:15 Uhr
Patricia Jäggi (Luzern)
Icelandic Silences. Ökoaktivistische und künstlerische Resonanzen auf sich verändernde Lebenswelten von Menschen und Vögeln
31. Januar 2023, 18:15 Uhr
Aaron S. Allen (Greensboro): Ecomusicological Listening as Activism
07. Februar 2023, 18:15 Uhr
Simon Butler (Norwich)
The Diminuendo of Diversity. The Impact of Biodiversity Loss on Natural Soundscapes.
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