Interdisziplinäre und interepochale Fachtagung des Arbeitskreises Militärgeschichte e.V.
Zeitraum der Tagung: 27.09.2023 – 29.09.2023
Ort: Freie Universität Berlin
Deadline für Abstracts: 15.10.2022
Der Sound des Krieges
Krieg ist eine auditive Extremerfahrung und Kriegsgeräusche gehören seit jeher zu den lautesten Geräuschen der Menschheitsgeschichte. Für die Gesamtheit der durch den Krieg entstandenen und beeinflussten Sounds hat der Musikethnologe Martin Daughtry den Begriff ‚Belliphonie‘ geprägt (Daughtry, Listening to War 2015). Die vom Arbeitskreis Militärgeschichte e.V. organisierte interepochale und interdisziplinäre Tagung widmet sich der Belliphonie und ihrer Bedeutung für die Erfahrung, Erinnerung und Präsentation von Krieg. Kriegerische Gewalthandlungen können nur unter Einbeziehung des Akustischen umfänglich erfasst werden, sodass die Tagung Erkenntnisse im Bereich der klassischen Militärgeschichte, der Kulturgeschichte des Krieges, der Erfahrungs-, Sinnes-, Emotions- und Gewaltgeschichte anstrebt. Der Fokus auf Sounds dient dabei als thematische Klammer, die verschiedene Aspekte des Kriegs zusammenführt. Gefragt wird mit einem interepochalen und transkulturellen Zugriff, wie und warum sich die Lautlichkeit des Krieges im Laufe der Geschichte wandelte und wie sie wahrgenommen, erzählt, gedeutet und erinnert wurde.
Zur Soundscape ‚Krieg‘ gehören dabei nicht nur die Geräusche der Waffen, sondern auch eine Fülle weiterer intentional und akzidentiell erzeugter akustischer Phänomene, wie etwa die Bewegungsgeräusche der Menschen, Tiere und Transportmittel, Schreie, Signale und Musik, v.a. im Vorfeld der Kampfhandlungen auch Reden, Gespräche und Gebete. Aber auch Stille als körperlich wahrnehmbares Phänomen bekommt im Kontext eines Krieges neue Bedeutungen (Smith, Smell of Battle 2014), zum Beispiel wenn die Stille vor dem Kampf und der lautlose Feind als besonders furchteinflößend erlebt wurden. Außerdem hat die Belliphonie Rückwirkungen auf die Kriegserfahrungen der beteiligten Gesellschaften und Nichtkombattant*innen, so dass sich bestimmte Geräusche in die kollektiven Erinnerungen eingeschrieben haben. Zur Erforschung der Belliphonie gehören dabei auch das Verhältnis zwischen der Lautsphäre Krieg und anderen Lautsphären, wie etwa Friede, Stadt oder Kirche; diese können sich gegenseitig beeinflussen, überlagern oder verdrängen.
Insbesondere folgende Themenbereiche und Fragestellungen sollen auf der Tagung anhand von Beiträgen aus der Antike, dem Mittelalter und der Neuzeit diskutiert werden:
(1) Akustische Dimensionen von Militärtechnik, Ausbildung, Kriegsführung
Welche Auswirkungen hatte die militärtechnische Entwicklung auf den Sound, der in Gefechten herrschte, und der Sound wiederum auf Auswahl und Ausbildung am Kampf beteiligter Menschen und Tiere? Welcher Sound wurde wann für die Kommunikation im Gefecht genutzt? Welche belliphonen Praktiken erfolgten spontan, welche unterlagen der normativen Regulierung? Welches emotionale Regime herrschte im Krieg bei der lautlichen Verarbeitung von Schmerzen, Wut oder Trauer? Ein weiterer Punkt ist Sonic Warfare (Goodman, Sonic Warfare 2010): Wie wurden Klänge als Waffe eingesetzt und wie wurden sie zur Gewalt?
(2) Sinnesgeschichte der Belliphonie
Ein Fokus soll auch auf die sich wandelnden Hörpraktiken im Krieg gelegt werden. Im Krieg bildeten Militär- und Zivilpersonen neue Hörgewohnheiten aus, die in dialektischer Beziehung zu den jeweiligen Kriegsgeräuschen standen. Selektive Hörtechniken ermöglichten es im besten Fall, einerseits dem Sound des Krieges taktische Informationen zu entlocken, andererseits dessen belastende Auswirkungen zu begrenzen. Hinzu kommt, dass Sinneswahrnehmung auch und gerade im Krieg meist multisensuell erfolgte. Wie ist also der Zusammenhang des Hörens mit den anderen Sinnen zu fassen?
(3) Musik und Krieg
Ein Schwerpunkt soll auf die multifunktionale Bedeutung von Musik im Krieg gelegt werden. So kann Musik im Krieg der Motivation der eigenen und der Abschreckung der gegnerischen Truppen dienen, aber auch ein Mittel sein, mit dem die Schrecken des Krieges verarbeitet wurden. Wie wurde Musik im Krieg gezielt von oben eingesetzt? Wie haben einfache Soldaten und die Zivilbevölkerung sich der Musik bedient, um den Krieg zu bewältigen?
(4) Erinnerung und Erzählung von Belliphonie
Welche Rolle spielt die Belliphonie bei der Deutung und der Erinnerung des Kriegsgeschehens? Wie wurde Belliphonie in Text und Bild erzählt? Welche Unterschiede lassen sich für verschiedene Quellentypen feststellen, inwiefern erzählen z.B. literarische, historiographische und normative Texte unterschiedlich vom Sound des Krieges? Inwieweit hingen wertende Begriffe wie z.B. Zivilisiertheit oder militärische Ehre mit dem Sound zusammen, den die eigene und die gegnerische Armee erzeugten?
Historische Studien zum Sound des Krieges stehen nicht nur vor inhaltlichen, sondern auch methodischen Herausforderungen. Wichtige Konzepte und Impulse liefern die Sinnesgeschichte und insbesondere die Sound Studies, welche sich interdisziplinär mit Klang und Akustik auseinandersetzen und deren Potentiale auf der Tagung erstmalig für die Militärgeschichte im historischen Längsschnitt ausgelotet werden sollen. Dabei wird auch zu fragen sein, inwiefern experimentelle Verfahren – etwa aus der Archäologie – zur Rekonstruktion vergangener akustischer Szenarien beitragen können.
Entsprechend begrüßen wir Beiträge aus den Geschichts-, Kultur-, Musik- und Medienwissenschaften. Neben empirischen Fallstudien sind auch stärker theoretisch ausgerichtete Beiträge erwünscht, die die Potenziale verschiedener methodisch-theoretischer Ansätze und Konzepte oder auch eines zeitlich übergreifenden und vergleichenden Zugriffs auf das Themenfeld aufzeigen. Im Sinne eines transkulturellen Vergleiches ist die Tagung nicht auf den europäischen Raum beschränkt. Die Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch; die Vorträge sollen eine Länge von 20-30 Minuten nicht überschreiten. Fahrt- und Übernachtungskosten für Vortragende werden übernommen. Im Anschluss an die Tagung ist eine Publikation der Beiträge in einem Sammelband geplant.
Bitte schicken Sie ein Abstract Ihres Beitrags im Umfang von maximal einer Seite samt bio-bibliografischen Informationen (max. 2 Seiten) bis zum 15. Oktober an Katja Seyffert-Weiß, TU Chemnitz: katja.seyffert-weiss@phil.tu-chemnitz.de
Inhaltliche Nachfragen richten Sie bitte an Prof. Dr. Martin Clauss: martin.clauss@phil.tu-chemnitz.de
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.