Call: Senden, Hören, Teilen: Podcasts und digitale Audiokultur[en] (AT)

Empirische Befunde, theoretische Perspektiven und praktische Ansätze von Podcasting

Nachdem Podcasts lange als Nischenmedium mit überschaubarem Nutzungskreis galten, haben sie in den vergangenen Jahren eine regelrechte ‘Renaissance’ erlebt. Keine Woche scheint ohne den Launch neuer Formate zu vergehen: Von klassischen Medienhäusern über Corporate Podcasts bis hin zu Prominenten und Privatpersonen – die beständig steigende Zahl der Angebote unterstreicht die Vielfalt dieses nicht mehr ganz so neuen Mediums.

Entstanden im Umfeld von Open-Source-Entwicklung und alternativen Medien galten die zunächst als ‘Audio Blogs’ bezeichneten Podcasts ab Mitte der 2000er Jahre als Musterbeispiel der “participatory culture” (Jenkins). Nun konnten alle kostengünstig und mit geringem Aufwand ein eigenes “DIY radio” (Madsen 2009) betreiben. Die Potenziale von Podcasts schienen unendlich: als persönliches Medium (ähnlich zu Weblogs), als neue Form der Zirkulation von Wissen (z. B. an Hochschulen) oder Distribution klassischer Medieninhalte.
Von diesen Ursprüngen scheint heute in der öffentlichen Wahrnehmung wenig übrig geblieben. Prägend ist einerseits der weltweite Erfolg des US-amerikanischen True-Crime-Formats “Serial”, der zum Aufkommen eines neuartigen, oft seriell strukturierten narrativen Audio- Journalismus führte. Daneben florieren ‘authentische’ Talk- und Gesprächsformate, bei denen Persönlichkeit und Subjektivität im Vordergrund stehen.
Andererseits wird die aktuelle Entwicklung durch große Plattformanbieter (Spotify, Audible) und Monetarisierungsbestrebungen geprägt: Ähnlich wie Musik unterliegen nun auch Wortinhalte verstärkt Prozessen algorithmischer Filterung und einer “Datafizierung” des Hörens. Damit befindet Podcasting sich zusehends im Spannungsfeld zwischen dezentral strukturierter Open- Source-Technologie und der “Einhegung” durch kommerziell ausgerichtete Plattformen. Nicht zuletzt wirken auch die Dynamiken der Aufmerksamkeitsökonomie auf die Entwicklung des Mediums ein.
Der zunehmenden Relevanz steht hierzulande eine eher überschaubare Anzahl an akademischer Literatur und Studien gegenüber, häufig aus den Anfangsjahren des Mediums. Während etwa der edukative Gebrauch (international) gut erforscht ist, sind noch viele Fragen offen, welchen Platz Podcasting im Spektrum digital-medialer Öffentlichkeiten einnimmt. Es besteht also Anlass genug für eine erste umfassende Bestandsaufnahme und wissenschaftliche Verortung dieser vielgestaltigen Kommunikationsform im deutschsprachigen Raum.

Für eine Sonderausgabe des interdisziplinär-sozialwissenschaftlichen Online-Journals kommunikation@gesellschaft suchen wir Journal-Beiträge, Essays, Forschungsnotizen oder andere Analysen zum Thema Podcasting. Darüber hinaus laden wir dazu ein, neben schriftlichen Beiträgen auch Vorschläge für Audio-Formate einzureichen. Denkbar sind etwa thematisch fokussierte (editierte) Interviews mit Praktiker*innen, Audio Papers bzw. Essays oder Podcast-Analysen; eine Orientierung bieten z. B. das Audio Paper-Manifesto (2016) sowie das Audio-Essay “Knowing Sounds” (Fox/Llinares 2018).

Die folgenden Stichworte geben Hinweise auf mögliche Themen und Fragestellungen, ohne Beiträge zu darüber hinausgehenden Aspekten auszuschließen, sofern sie sich in das Oberthema einordnen lassen.

●  Auditive Wissenskulturen und Vermittlungspraxen

  • Welche Möglichkeiten bieten Podcasts für die Vermittlung von Wissen?
  • Welche Chancen und Herausforderungen stellen sich der Wissenschaftskommunikation über auditive Formate? Welche Ansätze werden in Wissenschaft und Bildung verfolgt?
  • Welche Bedeutung haben Oralität, Sprechen und (Zu)Hören im Zusammenhang mit der Genese, Weitergabe und Aushandlung von Wissen, z. B. in Forschung oder Pädagogik?
  • Inwieweit kann Podcasting als “disruptive academic practice” (Fox/Llinares 2018) bzw. “public scholarship” (Doane et al. 2017) verstanden werden?

●  Geschichte(n) erzählen: Storytelling und Audio-Narrativität

  • Was zeichnet verschiedene Formen audio-basierten Storytellings bzw. narrativen Audio-Journalismus aus? Welche Bedeutung haben Serialität und Immersion?
  • Wie konstituiert sich “Authentizität” im Medium Podcast (Sprache, Sounds usw.)?
  • Welche medienethischen Fragen sind mit den neuen Erzählformen verbunden?

●  Podcasts als partizipative Medien(-Technologie)

  • Welche Praktiken medialer Teilhabe sind im Zusammenhang mit Podcasts beobachtbar?Welche Bezüge bestehen zu alternativen Medien?
  • Wer produziert Podcasts, in welchen Kontexten und aus welchen Motiven? WelcheThemenbereiche werden bearbeitet?
  • Was zeichnet Podcasting im Sinne einer emanzipatorischen Medienpraxis aus? WelchePotenziale bieten Podcasts, z. B. für marginalisierte Gruppen?

●  Hören 2.0: Podcasts und ihr Publikum

  • Wie und in welchen Kontexten werden welche Podcasts rezipiert? Welche Spezifika verbindenRezipierende mit ihnen (Ästhetik, Inhalte usw.)?
  • Was unterscheidet Podcasts von linearer Mediennutzung? Wie grenzen Hörerinnen und Hörerverschiedene Podcast-Genres voneinander ab?
  • Welchen Stellenwert nehmen Podcasts in Medienrepertoires bzw. Audio-Menüs derNutzerinnen und Nutzer ein, z. B. im Verhältnis zu klassischen Medien bzw. anderenAudiomedien (Podcasts als ‘slow media’)?
  • Welche Bedeutung haben algorithmische Filterung und “Datafizierung” des Hörens in Bezugauf die Podcast-Nutzung?
  • Was zeichnet Fan-Kultur(en) im Bereich Podcasting aus? Wie konstituieren sich Communitiesund Hörgemeinschaften? Wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen Hosts und Publikum?
  • Wie lassen sich neue Hörgewohnheiten (on-demand, mobil usw.) adäquat erforschen?

●  Podcasts als (neue) mediale Öffentlichkeiten

  • Wie sind Podcasts im Spektrum digital-medialer Öffentlichkeiten theoretisch zu verorten? Inwelcher Weise sind sie in verschiedene Bereiche des ‘social web’ eingebettet?
  • Inwieweit lässt sich Podcasting von klassischen Formen des Journalismus bzw. medialerÖffentlichkeiten abgrenzen, wo bestehen Schnittstellen?
  • Welche Formen des Lernens werden durch die Rezeption und/oder Produktion von Podcasts ermöglicht?
  • Wie unterscheiden sich Diskurse und Praktiken zwischen Podcasts als Amateurmedium (z. B. Privatpersonen/Medienamateur*innen) bzw. DIY-Kultur und professionellen Akteursgruppen (Journalismus, Marketing/PR, Wissenschaftskommunikation)?
  • Was charakterisiert Podcasts als “Raum politisch-medialer Kommunikation” (Lührmann 2019)? Inwieweit tragen sie zur Konstitution von Gegenöffentlichkeiten bei? Und lassen sich Potenziale der (politischen) Mobilisierung beobachten?

Die Herausgeber*innen bitten um die Einreichung von Abstracts (ca. 1-2 Seiten), aus denen Erkenntnisinteresse, theoretische Einbettung und ggfs. methodisches Vorgehen des geplanten Beitrags hervorgehen sollte. Bitte schicken Sie Ihren Abstract bis zum 15.11.2019 an Nils Zurawski (nils.zurawski@uni-hamburg.de), der auch für etwaige Nachfragen zur Verfügung steht.Auf Grundlage der Abstracts fällt die Entscheidung, wie viele und welche Einreichungen für die Sonderausgabe berücksichtigt werden können. Die vollständigen Beiträge werden von den Herausgeber*innen begutachtet, wobei unter Umständen auch externe Reviewer*innen hinzugezogen werden. Die Herausgeber*innen behalten sich vor, auf Grundlage dieser Begutachtung auch ausgearbeitete Beiträge nicht zur Veröffentlichung vorzusehen.

Zeitplan im Überblick

15.11.2019 Frist für das Einreichen der Abstracts (ca. 1-2 Seiten)
30.11.2019 Rückmeldung der Herausgeber*innen über Annahme oder Ablehnung des Abstracts
30.01.2020 Einreichen des vollständigen Beitrags
28.02.2020 Rückmeldung über Annahme oder Bitte um Überarbeitung
30.04.2020 Frist für das Einreichen überarbeiteter Beiträge
3.Q/2020 Erscheinen der Sonderausgabe

Gastherausgeber*innen

Nele Heise (freie Forscherin und Referentin, Hamburg)
Nils Zurawski (Universität Hamburg)


http://www.kommunikation-gesellschaft.de



Quelle: http://www.kommunikation-gesellschaft.de/CfP_podcasting_kommunikation_gesellschaft.pdf