Auditive Wissenskulturen: Das Wissen klanglicher Praxis
Interdisziplinäre Konferenz, Graz, 19.–21. Juni 2014
Zentrum für Systematische Musikwissenschaft, Karl‐Franzens‐Universität Graz
Institut für Ethnomusikologie, Universität für Musik und darstellende Kunst Graz
Hauptvorträge (keynotes) von Karin Knorr‐Cetina (Konstanz/Chicago) und Philip V. Bohlman (Chicago/Berlin)
Bei der Erforschung musikalischer und anderer klanglicher Praktiken innerhalb der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften ist man mit spezifischen Wissensformen konfrontiert, die meist nur implizit behandelt werden. Ziel dieser Tagung ist es, in einem explorativen Austausch zwischen verschiedenen Disziplinen (wie Musikwissenschaften, Soziologie, Anthropologie, Philosophie, Medienwissenschaften) einen expliziten Blick auf auditives Wissen zu werfen und dieses zu diskutieren.
Die Rolle, die Musik und andere Klänge in verschiedenen sozialen und kulturellen Kontexten spielen, hängt unmittelbar mit dem Wissen sozialer Akteurinnen und Akteure zusammen. Wissen nimmt dabei sowohl diskursiv verfügbare, kognitive und explizite als auch körperlich-gebundene, praktische und oft implizite Formen an. Verschiedene kulturelle Kontexte prägen auditive Wahrnehmungen, unterschiedliche soziale Prozesse geben Schall Bedeutungen, machen ihn zu Lärm, Geräusch, Signal oder Musik. Verschiedene Disziplinen bieten hier unterschiedliche Zugänge mit ihren jeweiligen Vorzügen an.
Zum Beispiel unterrichtet eine Klavierlehrerin ihre Schüler in „korrektem“ Klavierspiel, verschweigt dabei aber meist, warum „man so und nicht anders spielt“. In nepalesischen Ritualen werden Götter in Trommelprozessionen beschworen und beschwichtigt; dies funktioniert aber nur, wenn die Musiker „richtig“ spielen und keine Fehler machen. „Kennst du Lied X von Gruppe Y?“ kann in einer Jugendclique jene Frage sein, die über Inklusion oder Exklusion entscheidet.
Lokal und translokal geteilte Wissensvorräte beeinflussen, welche Subjekte oder Objekte als Quelle und Träger bestimmter Klänge angesehen werden: die göttliche Gabe des Virtuosen, hartes (körperliches) Training oder auch materielle und nicht-menschliche soziale Aktanten können so für unterschiedliche Klänge verantwortlich gemacht werden. In Ritualen können Götter oder Geister Musik und Gesänge “inspirieren”, sie durch Menschen spielen lassen, oder gar selbst im Klang manifest werden.
Teilweise werden Musikinstrumente selbst als Personen betrachtet, die mitbestimmen wie sie gespielt werden. Manchmal diktieren aber auch Maschinen Klangqualitäten und Spielweisen, man denke an übersteuernde Gitarrenverstärker oder Sampledatenbanken. Verschiedene subkulturelle Szenen bilden sich um spezifische Verständnisse von Musik heraus.
Auditive Wissenskulturen stellen Regulative bereit, wodurch Schall und Klänge innerhalb dieser Bereiche zu Trägern spezifischer Bedeutungen werden, die an ein bestimmtes Verstehen gekoppelt sind und auch in ihrer Erzeugung mit bestimmten Kompetenzen verbunden sind. Klänge dienen zur Heilung oder als Warnung vor Gefahren, zur Konstruktion von Identitäten oder zur Vertreibung unerwünschter Subjekte. Auditives Wissen ist somit in Machtverhältnisse integriert und auch mit der Produktion und Reproduktion sozialer Ungleichheitsverhältnisse verbunden.
Wir bitten Interessierte um die Zusendung empirischer Forschungsergebnisse, theoretischer Beiträge, oder Resultate künstlerischer Forschung zu folgenden und darüber hinaus gehenden Fragestellungen:
- Wie kann auditives Wissen methodisch erfasst werden?
- Welche theoretischen Rahmen sind geeignet, um auditive Wissenskulturen verständlich und vergleichbar zu machen?
- Wie stehen Subjekte und Objekte in Beziehung zu auditivem Wissen?
- Ist auditives Wissen an spezifische, abgrenzbare soziale Gemeinschaften gebunden, oder kann es frei zirkulieren, z.B. über Sprachgrenzen hinweg?
- Welche Formen von Macht- und Herrschaftsverhältnissen sind mit auditivem Wissen verbunden?
- Beispiele für auditive Wissenskulturen aus der empirischen Praxis und Feldforschung
Einreichungen für Vorträge von 30min Länge sollen Titel, Abstract (max. 300 Wörter), Namen und kurze biographische Notizen zu den Autorinnen und Autoren beinhalten. Die Einreichfrist endet mit 15.12.2013, die Bekanntgabe der Annahme ist bis spätestens Januar vorgesehen. Wir freuen uns insbesondere über Beiträge von Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern.
Wesentliches Vorhaben des Symposiums ist der interdisziplinäre Austausch. Daher ist die Möglichkeit angedacht, Vorabversionen der Vorträge auszutauschen, um diese in den Panels gemeinsam diskutieren zu können. Die Frist für diese freiwillige Möglichkeit ist der 15. April 2014. Eine Veröffentlichung dieser Beiträge in Buchform ist geplant.
Bitte senden Sie ihre Themenvorschläge bis 15.12.2013 an:
bernd.brabec@kug.ac.at und mwinter@soziologie.rwth-aachen.de
Weitere Details: http://ethnomusikologie.kug.ac.at/institut-13-ethnomusikologie/tagungen.html
Für Fragen stehen wir gerne zur Verfügung.
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.